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Zweifellos ist die Computerisierung der Wissenschaften weit fortgeschritten, und der Status von Rechenmaschinen lässt sich als essenziell bezeichnen: Sie sind im Forschungsalltag ebenso wenig entbehrlich wie Stift und Papier als unabdingbare Werkzeuge klassischer Kulturtechniken. 
Dies ist schlüssig, lässt sich doch Wissenschaft als originäres Modell des zentralen Produktionsmodus der postindustriellen Gesellschaft begreifen, die sich durch die Vorherrschaft immaterieller Arbeitsformen auszeichnet und Wissen als wichtigste Ressource eingestuft hat. So konnte sich die universelle Maschine zur Produktion, Distribution und Rezeption von Wissen fächerübergreifend konkurrenzlos etablieren.
Diese Feststellung gibt jedoch keinerlei Aufschluss über die Modi der Verwendung digitaler Technologien, die abhängig von individuellen und disziplinären Faktoren erheblich variieren. Insbesondere in den kultur-, sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen, in denen die eingesetzten Programme primär eine inhaltsunabhängige, offene und frei ausgestaltbare Infrastruktur bilden, erscheint eine eingehende Betrachtung der bereichsspezifischen Mediennutzung dringend angezeigt. Indem die individuell eingebrachten Inhalte und Nutzungsweisen die Qualität der Techniknutzung bestimmen, rückt der Umgang mit den gegebenen Möglichkeiten, also deren individuelle und soziale Ausgestaltung, als entscheidende Frage in den Vordergrund.
Diese Frage nach den tatsächlich zu beobachtenden und im Arbeitsalltag vorgenommenen Handlungen ist Gegenstand meiner Forschung.

E-Mails, Diskussionsforen, Beiträge und Materialien aus Online-Arbeitsumgebungen, Bilddatenbanken usw. geben Aufschluss über die Qualität und Rolle digitaler Ressourcen für die kooperative Bearbeitung der untersuchten Themen und bei der Abwicklung von organisatorischen Angelegenheiten. Sie bieten die Chance, Aussagen zu Effekten der Technik-Nutzung zu machen, die auf Daten gestützt sind, welche im praktischen Vollzug der wissenschaftlichen Tätigkeit entstanden sind. Thesen über die Bedeutung der eingesetzten Technologie sind somit hier nicht aus theoretisch gegebenen Möglichkeiten von verfügbaren Werkzeugen extrapoliert, sondern gründen auf den im wissenschaftlichen Alltag praktisch vollzogenen Handlungen. Ausgehend von einem ethnographisch orientierten Forschungsverständnis wurden darüber hinaus Daten zu medienunabhängigen Faktoren erhoben, um eine schlüssige Kontextualisierung zu gewährleisten.
Dabei wird deutlich, dass sich elektronisch vermittelte Kommunikation nicht zwingend von gewohnten Interaktionsstrukturen unterscheidet; teilweise ist nur das eingesetzte Gerät zur Übertragung und Speicherung der Inhalte durch den Computer ersetzt. Punktuell bilden sich jedoch im Prozess der medienvermittelt geführten Diskussion tatsächlich "endemische" Szenarien einer wissenschaftlichen Erkenntnisproduktion heraus, während sich im gleichen Setting unter anderen Umständen allgemein als Vorteil neuer Medien anerkannte Faktoren als problematisch erweisen. Die eher informell organisierte Ebene der projektinternen Mailingliste beispielsweise bietet ein Plenum, in dem auch vorläufige Überlegungen und spontane Gedanken ihren Platz haben. Nicht immer erfolgt eine Reaktion darauf, doch einige werden gleich, andere später bzw. auch in einem anderen Medium oder bei einem Workshop vor Ort überraschend wieder aufgegriffen und weiterentwickelt.  
Daran lässt sich der Modus der Genese von diskutierten Thesen aufzeigen - eine Rekonstruktion, die die Bandbreite der dabei berührten Assoziationsfelder illustriert und in die Reflexion einbezogen werden kann, um das Repertoire an Perspektiven auf das behandelte Phänomen zu bereichern. Als technische Plattform, die diesen Prozess und die kollektiv erzeugten rhizomatischen Strukturen am ehesten repräsentieren kann und zudem die dezentrale Weiterentwicklung erlaubt, wurde ein internes Wiki  auf dem Server des Projekts eingesetzt. Allerdings wird sich ein organisch ablaufender Vorgang der Wissensbildung nicht automatisch ergeben.  Wenn eine Diskussion nur von zwei oder sehr wenigen Personen über die interne Mailingliste geführt wird, um Transparenz herzustellen und zur Beteiligung einzuladen, bleibt die Rolle der anderen adressierten Personen unklar. Möglicherweise werden die Nachrichten z.B. abhängig vom aktuell anfallenden Arbeitspensum nur lückenhaft registriert. Damit entsteht gleichzeitig eine hemmende Unsicherheit darüber, wie intensiv andere in den laufenden Prozess integriert sind und beim Formulieren der Folgebeiträge berücksichtigt werden müssen. Diese Ungewissheit lässt sich im Setting der asynchronen medienvermittelten Kommunikation nicht unmittelbar ausräumen und muss von den einzelnen auf irgendeine Weise aufgelöst werden.
Eine Bereicherung von Forschungskooperationen ist folglich nicht automatisch durch die Verfügbarkeit einer universellen oder besonders geeigneten Technologie gegeben. Entscheidend sind letztlich die Menschen, die es sich zur Aufgabe machen, Computer in ihrem Sinne einzusetzen. Es sind WissenschaftlerInnen, die sich nicht von fachfremden Anforderungen, zusätzlichen Aufgaben und den scheinbar zwangsläufig auftretenden technikbedingten Irritationen beeindrucken lassen. Erst wenn es ihnen gelingt, die Rechenmaschinen kreativ und produktiv in die tägliche Routine der wissenschaftlichen Arbeit zu integrieren, werden die Qualität und der letztlich gegebene Wert der Technologie bestimmt.
Letztes Update ( Saturday, 19 November 2005 )
 
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